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Wussten Sie,...

...dass leider nur eine äußerst geringe Zahl mittelalterlicher Darstellungen von Lazarus-Ritter die Jahrhunderte überdauerte?

Eine kleine, schlichte Kirche in Grattemont im französischen Départment Seine-Maritime, die Kirche des Heiligen Antonius, hat eine solche kunstgeschichtliche Rarität zu bieten. Im Inneren dieser Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die zweifelsfrei dem Lazarus-Orden zugeordnet wird und zu einem Leprosorium gehörte, findet sich eine Skulptur des Heiligen Antonius. Er wurde unter anderem bei ansteckenden Krankheiten um Hilfe angerufen, so dass seine Gegenwart in einer Kirche der Lazariter selbsterklärend ist. Das Kragstück, das diese Skulptur trägt, zeigt plastisch eine Figurengruppe, deren Ikonografie wichtiges über das Selbstverständnis der Lazariter als christliche hospitalische Ritter aussagt. 

Das steinerne Kragstück ist, wahrscheinlich wie die Kirche, im 13. Jahrhundert entstanden und zeigt eine insgesamt aus sechs Personen bestehende Figurengruppe. Diese Personen - je drei rechts und drei links – sind kniend dem Wappenschild des St. Lazarus-Ordens zugewandt. Das zentrale Wappenschild trägt auf dunklem (schwarzem?) Grund ein wahrscheinlich früher grünes Kreuz, bekrönt von Helm, Mantel und Helmzier. 

Die jeweils rechts und links des Wappens knienden drei Personen haben die Hände mit Blick auf den Ordensschild zum Gebet erhoben. In der vorderen und hinteren Figur sind Ritter in Rüstungen dargestellt, über ihren Umhängen das Schwert gegürtet, die Helme zu ihren Füßen. Sie haben einen Mönch in ihre Mitte genommen, charakterisiert durch ein Kreuz auf einem langem Habit, einen Gürtel mit Beutel an der Seite hängend und ein Buch, neben ihm liegend. 

Diese kleine schlichte Szene symbolisiert die primären Überzeugungen des Ordens in der damaligen Zeit: Die Unterwerfung unter die Prinzipien des Glaubens und der eigenen Ordensregeln, zugleich die Bereitschaft, für die eigenen Überzeugungen auch im ritterlichen Kampf einzustehen. In einen christlichen Kontext wird dies durch das Tragen des Kreuzes auf den Umhängen der Ritter gestellt, das sie damit zugleich als Kreuzritter ausweist. Die Gemeinschaft mit dem mittig gestellten Mönch weist einerseits auf die Ordensgemeinschaft von Rittern und dienenden Brüdern hin. (Hier könnte auch das in einer Person vereinte Rittermönch-Prinzip visualisiert sein.) Andererseits unterstreicht es die enge Beziehung zwischen dem Lazarus-Orden und der Kirche. Die Details dieses Werkes differenzieren somit in klarer Bildsprache den christlich-hospitalischen von den weltlichen Ritterorden.

Viele Besucher dieser sehenswerten Kirche in der Normandie dürften sicherlich achtlos an dem Kragstück mit den Lazarus-Rittern vorbei gehen. Für unseren Orden hingegen stellt es ein wichtiges kunstgeschichtliches Zeugnis dar und verbildlicht eindrucksvoll unser Motto: Atavis et armis!