Wussten Sie,...
...dass sich der Wandel der Leprosenbruderschaft des Hl. Lazarus zum hospitalischen Orden und in der Folge zum Ritterorden nicht in Jerusalem, sondern maßgeblich in Akkon vollzog?
Ein Rückblick: 1187 wurden Jerusalem und weite Bereiche des Heiligen Landes von den islamischen Truppen Saladins erobert. Eine Rückeroberung der Heiligen Stätten durch die Christen konnte nur gelingen, wenn zuerst Akkon wieder christlich wurde.
Die stark befestigte Hafenstadt am Mittelmeer, in der Bucht von Haifa gelegen, verfügte über den einzigen Hafen an der Levanteküste, in dem Schiffe jederzeit wetterunabhängig be- und entladen werden konnten. Ohne den Hafen Akkons war ein ausreichender Nachschub für die Kreuzritterheere nicht gewährleistet.
Nach zweijähriger Belagerung durch die Kreuzritter, verstärkt durch neue Kräfte aus Europa, gelang im Juli 1191 die Eroberung Akkons. Die wichtige Hafenstadt wurde zur neuen Hauptstadt des Königreichs Jerusalem erklärt und stark befestigt. Alle Ritterorden verlegten ihre Hauptsitze hierher und übernahmen zentrale zivile und militärische Aufgaben.
Der Lazarus-Orden errichtete außerhalb der Mauern in der nordwestlichen Vorstadt Montmusard zunächst ein Leprosorium. Zwischen 1198 und 1212 wurde aber auch der Montmusard mit Mauern und Türmen umgeben und in die Stadtbefestigungen einbezogen. Alte Stadtpläne verzeichnen den Lazarus-Turm und das Lazarus-Tor. In deren unmittelbarer Nähe befand sich das Ordenshaus, verbunden mit dem weitläufigen St.-Lazarus-Hospital. In diesem Viertel trug der Lazarus-Orden nun auch militärische Verantwortung.
Um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert wurden dem Lazarus-Orden zusätzliche militärische Aufgaben übertragen, die über die Kontrolle seines Sektors und der zugehörigen Befestigungen hinausgingen. Dies war einerseits bedingt durch die militärische Situation im Heiligen Land, andererseits dürften die engen Beziehungen zum Templer-Orden eine Rolle gespielt haben: An Lepra erkrankte Templer wurden in den Lazarus-Orden überstellt und waren dort unter dem grünen Kreuz noch lange Jahre „kampf- und dienstfähig“.
Der Orden des Heiligen Lazarus entwickelte sich neben Templern, Johannitern und dem Deutschen Orden zunehmend zum eigenständigen klassischen christlichen Ritterorden,. Urkundlich werden 1244 in einem Bericht des Patriarchen Robert über die Schlacht von Gaza erstmalig die „Ritter des Heiligen Lazarus“ genannt. Vier Jahre später, am 15. Oktober 1248, führte Papst Innozenz IV. die Ritter des Lazarus-Ordens in einem Schreiben gemeinsam mit Johannitern, Templern und Deutsch-Ordensrittern auf. 1250 erfahren wir von der Teilnahme der Lazarus-Ritter an der Schlacht von Mansura und 1252 an der Schlacht von Ramlah. Als Folge der hohen Verluste der Lazariter, erteilte Papst Innozenz 1253 dem Lazarus-Orden die Erlaubnis, auch Gesunde zum Großmeister zu wählen – zuvor mussten dies ausschließlich Lepröse sein.
Die Entwicklung des Lazarus-Ordens als wichtigem hospitalischen und militärischen Stützpfeiler im Heiligen Land nahm rund 100 Jahre nach der christlichen Rückeroberung Akkons ein abruptes Ende. Vereinte islamische Heere aus Ägypten und Syrien, die sich zum Ziel gesetzt hatten, das Heilige Land vollständig unter ihre Herrschaft zu bringen, begannen 1291 die Belagerung der Hafenstadt. In zeitgenössischen Berichten wird von einem Heer mit 60.000 Reitern und 160.000 Fußsoldaten gesprochen. Diesen islamischen Streitkräften standen lediglich 17.000 Verteidiger gegenüber. Nach sechswöchiger Belagerung überwand das Mamelucken-Heer am 28. Mai beide Mauerringe und eroberte in fürchterlichem Häuserkampf Stadtviertel für Stadtviertel. Nur wenige Kreuzritter konnten sich auf die letzten nach Zypern auslaufenden Schiffe retten: Es waren 10 Templer und sieben Johanniter. Alle Akkon verteidigenden Ritter des Heiligen Lazarus und des Deutschen Ordens hatten den Tod gefunden. Gefangene wurden nicht gemacht.
Nach dem Fall Akkons und dem Verlust aller Besitzungen im Heiligen Land, verblieben dem Lazarus-Orden seine Besitzungen in Europa. Nach einem Interregnum in Zypern wurde das französische Chateau Boigny in der Nähe von
Orléans, das König Ludwig VII von Frankreich bereits 1154 dem Orden übertragen hatte, zum neuen Hauptsitz des Ordens – und dort sind wir noch heute. Aber dies ist eine andere Geschichte. Atavis et armis.